Forts.: Ein Tag im Dorf

...Etwa um 5.00 Uhr morgens beginnt das Leben. Ich höre das erste Räuspern unter mir, der kleine Enkel beginnt seinem Großvater ein Loch in den Bauch zu fragen, dieser bleibt aber wortkarg. Dann plötzlich werden Großvater Bishnus Geräusche lauter und er startet seine Bronchialtoilette. Es scheint aus der tiefsten Sohle zu kommen, danach endlich antwortet er Rooney, so nenne ich den Enkel, da er ein T-Shirt mit gleicher Aufschrift auf dem Rücken trägt.- Kurze Zeit später hackt Bishnu mit dem Khukuri, dem gebogenen Messer der Gorkhas, das Holz zum Kochen. Seine Frau kräht auch schon herum und etwas Qualm kommt in unseren Schlafraum. Das Frühstück wird zubereitet. Ein paar Chapati und Tee. Es wird ruhig, da man beim Essen selten spricht.

Ich versuche eine zweite Runde zu schlafen. Der Großvater geht mit dem Enkel Gras schneiden, für die wenigen Tiere, die sie besitzen. Dieses Gras wächst an den steilen Berghängen und ist selbst für die Ziegen unzugänglich. Daher ist das Vieh immer am Haus angebunden und muss nur fressen, fett werden und Dünger produzieren. Großvater und Enkel werden in 2-3 Stunden zurück sein. Dann trägt jeder seinen Packen Gras auf dem Rücken, meistens 50-60% des eigenen Körpergewichts. In der Zwischenzeit räumt die Großmutter das Haus auf, wäscht die Wäsche, denn es wird endlich warm, die Sonne bringt neue Energie. Außerdem kocht sie das Dhal Bat (Reis, Curry und Linsen), was angeblich 24 Stunden Ausdauer gibt. Die Männer kommen schließlich hungrig heim. In größeren Familien gehen alle älteren Kinder mit zum Gras sammeln, da muss reichlich Reis gekocht werden. Die Nepalesen können Unmengen davon essen und verstehen meine normalen Portionen nicht, die mir aber genügen. Meine Freunde hier haben ständig Angst, dass ich ihnen verhungere.

Jetzt müssen sich die schulpflichtigen Kinder sputen. Eine kurze Wäsche draußen in der Sonne (oder auch nicht) und hinein in die Schuluniform. Manche laufen circa eine Stunde bis zur Schule, die etwa um 10 Uhr beginnt, was aber nicht so genau genommen wird. Um 16 Uhr endet der Unterricht. Die Eltern und die nicht mehr schulpflichtigen Geschwister gehen in der Zwischenzeit auf die Felder. Wenn der Reis gepflanzt ist, gibt es dort nicht ganz so viel Arbeit, aber bald beginnt die Reisernte und dann ist die gesamte Familie gefragt, die Kinder bekommen Schulferien um zu helfen.

Meine ersten Patienten kommen gegen 10 Uhr. Zurzeit gibt es keinen Regen und die kranken Menschen warten in der wärmenden Sonne. Die Unterhaltungen sind lebhaft. Familienmitglieder kommen, um mit den weiter weg wohnenden Verwandten zu plauschen. Alles ist und bleibt entspannt.

Gegen 17 Uhr wird das Feuer in den Hütten erneut angezündet, denn das Dhal Bat für den Abend muss zubereitet werden. Manchmal werden die Kinder zum Holzsammeln geschickt oder sie bringen schon etwas vom Schulheimweg mit heim. Praktische Dinge braucht man den nepalesischen Kindern nicht zu erklären, sie lernen von den Geschwistern und vom Hinschauen.

Zwischen 18 – 19 Uhr wird gegessen, mittlerweile ist es Nacht geworden. Unser Bezirk hat Strom, so dass bei einer dunklen Lampe noch etwas gelesen oder gelernt werden kann. Um 20 Uhr höre ich von unseren Mitbewohnern aber kaum noch etwas, gelegentlich ein kurzes Schnarchen, manchmal ein auffälliges Husten des Großvaters. Die Kinder sind nun still, bis der neue Tag um 5 Uhr beginnt.

Wenn die Sonne untergegangen ist, wird es sehr schnell kalt. Das Holz ist knapp und teuer, daher benutzt man es nicht zum Heizen. Der wärmste Ort im Haus ist dann das Bett, für mich nur zu verständlich. Fernsehen ist nicht möglich mangels fehlenden Fernsehers, Bücher findet man kaum in den Häusern, die Rate der Analphabeten ist sehr groß. Also hängt die Hose um 20 Uhr kalt am Haken.

Nach kurzen Anpassungsschwierigkeiten adaptiere ich mich immer an diese Lebensweise. Ich genieße es den beginnenden Tag mit einer Tasse Kaffee zu begrüßen und ins Tal zu schauen. Es ist meine Form der Meditation in Banjhakateri, ich will nicht mehr und brauche auch nicht mehr. Mich interessiert das Weltgeschehen ebenso wenig wie die Menschen im Dorf, ich bin einfach nur zufrieden. So eine Erfahrung wünsche ich jedem Leser.

Regenborgen über Banjhakateri
Regenborgen über Banjhakateri
Erntezeit - schwere Zeit, auch für Kinder
Erntezeit - schwere Zeit, auch für Kinder

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ENTWEDER - ODER

 

Wir können was bewegen,

wir können es auch lassen.

Wir können Liebe geben,

genauso wie wir hassen.

 

Wir können viele Sachen

tagtäglich neu entscheiden,

ob wir im Leben lachen

oder am Leben leiden,

 

ob wir ganz unauffällig

uns mäuschenstill verhalten

oder etwas rebellisch

die Zukunft neu gestalten,

 

ob wir bei schrillem Unrecht,

das wir mit anseh'n, schweigen

oder mit den Betrog'nen

auf Barrikaden steigen.

 

Wird uns etwas genommen,

so bleibt selbst dann die Wahl,

wie lange wir festhalten

an Unglück oder Qual.

 

Wir werfen Licht und Schatten

in unsrer Lebenszeit

und weder Hell noch Dunkel

bleibt bis in Ewigkeit.

 

Wir haben freie Auswahl

beim Ja so wie beim Nein,

doch wer sich nicht entscheidet,

kann nicht lebendig sein.

 

Renate Eggert-Schwarten

www.passendegedichte.de